Im Sog der Kontraste
Das Steffen-Schorn-Septett im Moods
Ein Septett ist noch keine Big Band. Dass sich Steffen Schorns siebenköpfige Formation doch immer wieder ins Orchestrale ausfächert, um darüberhinaus das Ozeanische zu suggerieren, das liegt am immensen Instrumentarium. Fast könnte man am Mittwochabend meinen, die Bühne im «Moods» sei eine Arche Noah für Blasinstrumente. Den Saxofonisten und Jazzkomponisten Schorn, der seit einem Jahr das Zurich Jazz Orchestra leitet, muss man sich als Saxofon- und Flöten-Fanatiker vorstellen. Während der Aufführung seiner herausragenden, gut sechzigminütigen Suite «Tiefenträume»–gerade ist sie auf CD erschienen–wechselt er ständig die Gerätschaft: Mal bläst er in eine gebogene Bassflöte, mal in ein Piccolo; und sein Mundstück landet bald auf einem Tenor-oder Bass-Saxofon, bald auf einer Bassklarinette oder auf dem immensen Tubax. Die Vielfalt spricht gewiss für präzise klangliche Vorstellungen. Man glaubt aber auch, eine spielerische Masslosigkeit zu erkennen in diesem ständigen Wechsel; man ist an Kinder erinnert, die an Weihnachten von Geschenk zu Geschenk springen. Tatsächlich schlägt sich diese sanguinische Nervosität auf die Musik nieder: Sie ist ein elektrisierender Starkstrom, den der Komponist Schorn allerdings kontrolliert und dirigiert. «Tiefenträume» sei inspiriert von Erfahrungen beim Tauchen, erklärt er zu Beginn; aber das metaphorische Bedeutungsfeld sei offen in Richtung Psyche.
Und tatsächlich fühlt man sich wie in einem expressiven Wechselbad, das allerdings durch Dramatik und Stringenz streng getaktet ist. Schorn bleibt nicht, wie viele Jazzkomponisten, an einzelnen Ideen und Klangbildern hängen. Bei ihm generieren Gegensätze einen Sog. Zuweilen verästelt sich das Septett im Rubato in klanglichen Voluten, getragen von einem schillernden Ambient, das durch die Vielfalt der Akkord-Instrumenten geschaffen wird: Piano, Keyboards, Vibrafon, E-Gitarre. Dann wiederum wird die Band zu einem furiosen, klappernden Vehikel. Die Klänge ordnen sich um ein schneidendes Riff oder um sich überlagernde, zum Teil hart synkopierte Minimal-Motive. Die solistischen und improvisierten Passagen sind dem kompositorischen Gefüge zwar zumeist untergeordnet. Es spricht aber für die Souveränität der Musiker, dass sie gerade auch den komplexen Teilen immer wieder eine Ahnung von archaischer Freiheit und Vitalität verleihen. Diese Art Spannung ist selten in Jazzkompositionen–am ehesten kennt man das noch von Hermeto Pascoal. Mit dem Brasilianer hat Schorn tatsächlich schon gespielt. Und im zweiten Set wird auch prompt ein Pascoal-Stück interpretiert.
UELI BERNAYS, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG