Das Saxofon ist bekanntlich stark auf seine solistische Rolle hin konnotiert – und dennoch werden Saxofonensembles immer beliebter! Kein Wunder, denn dieses vergleichsweise junge Instrument ist doch durch seine verschiedenen Varianten und Tonlagen ein ausgesprochenes Familienwesen. „Was weite Herzen füllt“ nennt sich ein spektakuläres neues Projekt, das die ganze Familie, aber auch die musikalischen Genres als solche zusammen bringt – und daraus schier unglaubliche Resulate schöpft!
Die Jazzer Steffen Schorn und Roger Hanschel vereinen sich hier mit dem eher klassisch-neutönerisch engagierten Rascher-Saxofonensemble. Und wenn schon mal der Name Steffen Schorn im Spiel ist, dann wird auch der gewohnte Tonumfang sämtlicher Saxofone um wahrhaft „abgrundtiefe“ Lagen ausgeweitet, denn Schorn ist ein anerkannter Spezialist für die tiefsten Vertreter ihrer Spezies. Seine Sammlung aus Kontrabass-Saxofonen bis hin zum abggrundtiefen Tubax dürfte ihresgleichen suchen.
Schorns Sache ist – auch in seinen vielgefragten Bigband-Arrangements – „die klare organisch erlebbare Einheit“, wie es in den Linernotes formuliert wird. Und in der gehen er und Roger Hanschel sowie Christine Rall, Elliot Riley, Andreas van Zoelen und Kenneth Coon auf schier genialische Art und Weise auf. Ja, man wird sprachlos angesichts der wahnwitzigen, hellsichtigen Spiellust aller Beteiligten, die sich verblüffend konzentrisch zum großen Ganzes vereinen. Entsprechend bleiben die einzelnen Kompositionen des Programms der übergreifenden Idee verpflichet. Hanschels Eröffnungsstück beginnt mit einem tonmalerischen Rezitativ, als dann ein tänzerischer, durchaus orientalisch angehauchter tänzerischer Vibe alle Sinne in Erregung versetzt.
Steffen Schorns daran anschließende dreiteilige Suite lässt aus diesen sechs Holzbläsern einen sinfonischen Klangkörper hervor gehen, in dem so manche Musikfarbe aufblitzt, die jedem Strawinsky-Ballett oder Gil-Evans-Arrangement gut zu Gesicht stünde. Immer bilden ausgiebige repetitive Strukturen die bezwingende Grundmechanik. Die abgrundtiefen Schwingungskurven von Steffens Schorns megatiefen Hörnen durchsägen phasenweise mit fast optischer Präsenz den Raum. Und es geht noch mehr: Manic Maelzel entfaltet seinen trance-artigen Hexentanz auf einer abgehackten metrischen Struktur, lässt im unisono faszinierende harmonische Reibungen gleißen, bevor es auf der chromatischen Leiter himmelwärts geht. Roger Hanschel lässt ein weiteres Stück folgen, das auf einer ähnlichen Welle reitet und mit Choral-Einwürfen dazwischen funkt. Nein – dies lässt sich an hypnotischer Kraft jetzt nicht mehr steigern! Umso sinnvoller, dass die beiden Finalstücke schließlich einen Gegenpol voll jazziger Leichtigkeit markieren: Ein Bebob-Thema mündet in ein mördertiefes Tubax-Solo. Ähnlich funktioniert das Finale: Ein zartfühlendes Lamento für Kenneth Coon, den Baritonsaxofonisten – der kurz vor Veröffentlichung dieses im wahrsten Sinne des Wortes einzigartigen Albums tragischerweise verstorben ist!